12.10.2023

Frankfurt Galaxy: Familie, Freunde, Freude, Football

Thomas Hackbarth, der ehemalige Pressesprecher der Galaxy, über die Geschichte des früheren Powerhouse des American Footballs in Europa und das Sprungbrett für Spieler in die NFL.

Ein wenig Partymeile und Familienfest als Stadionevent, aber eben nicht nur. Das Footballteam Frankfurt Galaxy brachte es in 15 Saisons auf 82 Siege bei 68 Niederlagen. Viermal gewannen die „Men in Purple" den Titel in einer Liga, die während der ersten beiden Jahre World League und später NFL Europe League hieß. Frankfurt Galaxy, das war ein Unterhaltungsangebot, die Samstagabend-Sause …und eben auch eine sportlich erfolgreiche Footballmannschaft. Das frühe Powerhouse des NFL-Football in Europa.

Football in Frankfurt: Mehr als nur "Party"

Sicher, die Fans kamen zum Feiern in Waldstadion, was sie aber nicht daran hinderte, eine beeindruckende Football-Kompetenz zu entwickeln. Und – ganz wichtig - die Galaxy-Fans begleiteten die Siege und Niederlagen ihrer Mannschaft immer friedlich und fair. Weil Krach das Auslösen des Angriffsspielzugs erschwert, herrschte beim Ballbesitz des Gegners minutenlang infernalisches Lärmen im Frankfurter Waldstadion. Man wollte schon gewinnen. Doch wenn die Niederlage unabwendbar war, legte Werner Reinke „Always look on the bright side of life“, auf, einen Song aus Monty Pythons „Das Leben des Brian“. Die Footballvariante von Steppis „Lebbe geht weider“ – gemeinsam schunkelte man sich raus aus der tiefsten Trauer.

Die meisten von ihnen waren ein wenig „born in the USA“, nicht vom Pass her, aber von der angestrebten Lebensart. Der Frauenanteil ging gegen 50 Prozent, das Galaxy-Publikum kam aus dem Umland und nicht aus Frankfurt selbst ins Waldstadion, der von der NFL erwartete „verlässliche Zuschauerstamm“, die hier stationierten Soldaten, fiel eher aus. Machte aber nichts. 1995 strömten zu den fünf Heimspielen 145.000 Zuschauer, in der folgenden Saison waren es 166.000 Zuschauer.

Familie, Freunde, Freude, Football – für die behelmten Männer auf dem Feld war es hingegen in jeder Hinsicht ein hartes Spiel. Die Profis der NFL Europe League bekamen für fast vier Monate inklusive Trainingslager und zwölfwöchiger Saison das mickrige Gehalt von 20.000 Dollar ausbezahlt. Über Boni konnte man dieses Grundgehalt vervielfachen, aber die meisten dürften mit weniger als 40.000 Dollar aus Frankfurt zurück in die USA geflogen sein. Die NFL war das Ziel aller ihrer Träume. Nur einige wenige Galaxy-Spieler aber schafften es, bei einem der 32 Klubs in den USA einen Vertrag zu unterschreiben. Selbst Publikumslieblinge wie Tony Baker, Mario Bailey, Werner Hippler oder Safety Chris Hall (16 Interceptions in drei Saisons!) schafften nicht den Sprung in die NFL.

Paul Justin schon.

Sprungbrett für Spieler in die NFL

1995 war Justin schon 27 Jahre alt, eigentlich sollte er sich die Snaps mit Jim Miller teilen. Doch Miller, von den Pittsburgh Steelers nach Frankfurt ausgeliehen, brach sich die Hand. Und Justin führte Frankfurt Galaxy zum ersten World Bowl-Triumph. Verletzungen steckte er weg, er setzte auf große Raumgewinne. Beim World Bowl-Sieg über die Amsterdam Admirals erspielte man sich im Vergleich nicht mal die Hälfte an First Downs. Aber mehr Yards. Die Colts hatten ihn nach Frankfurt geschickt. Zurück in Indianapolis, kam er 1997 gegen die Green Bay Packers zum Einsatz und brachte es auf 340 Passyards. Der Sieg machte ihn bekannter. 1998 wechselte er zu den Cincinnati Bengals und 1999 zu den St. Louis Rams. Dort gab er den Ersatzmann für Kurt Warner, der selbst in Europa (Amsterdam Admirals) gespielt hatte. Gemeinsam gewann man 1999 den Super Bowl. 2001 beendete Paul Justin seine erfolgreiche Karriere.

Ein anderer ehemaliger Quarterback der Frankfurt Galaxy kam in der Mutterliga noch größer raus. Jake Delhomme reiste 1999 als Leihgabe der New Orleans Saints an den Main. Und bestach vom ersten Tag an durch seinen Fleiß und seine Freundlichkeit. Als die PR-Abteilung ein Gewinnspiel mit einer Radiostation ausgelobt hatte, und der erste Preis war, dass man vom Galaxy-Quarterback beigebracht bekommt, wie man das Ei wirft, blieb Delhomme nach dem Training nicht die vereinbarten 30 Minuten, sondern übte eineinhalb Stunden mit dem Fan. Am Ende der Saison gewann Galaxy angeführt von Delhomme und seinem Quarterback-Partner Pat Barnes von den Oakland Raiders zum zweiten Mal den World Bowl. Auch in der NFL setzte er sich durch. Nach dem Wechsel von New Orleans nach Carolina führte er die Panthers bis in den Super Bowl. Die New England Patriots gewannen durch ein spätes Field Goal, doch Delhomme hatte drei Touchdown-Pässe geworfen. Mit 113,6 lag sein Quarterback-Rating – ein aus mehreren Werten wie Passgenauigkeit, Passlänge und Touchdown-Pässe errechneter Indexwert - höher als das seines Gegenübers bei den Patriots, immerhin ein gewisser Tom Brady. Nach weiteren Stationen in Cleveland und Houston beendete Jake Delhomme 2011 seine bemerkenswerte Laufbahn.

Kein ehemaliger Coach oder Spieler der Frankfurt Galaxy aber war so erfolgreich wie Stephen Christopher Spagnuolo, der während der Saison 1998 die Galaxy-Defense gecoacht hatte. Dreimal hat Steve Spagnuolo als Defensive Coordinator den Super Bowl gewonnen, einmal mit den New York Giants und zweimal als Koordinator im Stab von Head Coach Andy Reid mit den Kansas City Chiefs. Den Super Bowl mit zwei unterschiedlichen Teams zu gewinnen ist bislang keinem anderen Coordinator gelungen. Für Steve Spagnuolo ist das Spiel am 5. November gegen die Miami Dolphins im ausverkauften Frankfurter Stadion also eine echte Heimkehr.

Angefangen hatte alles am 23. März 1991. Oliver Luck, ein ehemaliger NFL-Quarterback und Rechtsanwalt, war im Winter nach Frankfurt gekommen, hatte Büroräume an der Eschersheimer Landstraße angemietet und drei Monate später das Debüt von Frankfurt Galaxy im Waldstadion ausgerichtet. Man unterlag dem späteren Champion London Monarchs 11:24. 20.169 Zuschauer sorgten für eine gute Kulisse. Zum Saisonfinale gegen die Sacramento Surge erwarben mehr als 51.000 Zuschauer eine Eintrittskarte. Das Ei war gelandet und nach der zweijährigen Zwangspause hieß es 1995 „The Egg is Back“.

Das Ende kam am 29. Juni 2007. Irgendwie hatten die milliardenschweren Teambesitzer genug Geld in der europäischen Liga verspielt. Am 30. September 2007 stellte die Frankfurt Galaxy Footballteam Betriebs GmbH den Betrieb endgültig ein.

Frankfurt Galaxy – das war vor allem ein Sportstadionereignis, dass über viele Jahre enormen Einfluss auch in Deutschland auf die Art hatte, wie man Stadion- und Hallensportevents veranstaltet.

Und Galaxy bedeutete den ersten Schritt für ein paar ganz große Karrieren in der NFL.